"Ich will lieber eine Elfe." - Eine Geschichte vom Lipödem und von einer Beziehung, die niemals eine war

 

Es ist Freitagabend, draußen herrscht ein Unwetter, ich sitze ganz bequem mit einer Tasse Tee vor meinem Laptop und versuche meine Festplatte einem digitalen Hausputz zu unterziehen.
Unglaublich, was man über die Jahre alles ansammelt. Ich komme mir vor wie ein Daten-Messi, während ich mich durch die ganzen Ordner wühle.

Plötzlich stolpere ich über einen Bildordner ohne Beschriftung. Neugierig klicke ich darauf.
Es sind Fotos und kleine Videos aus meiner Zeit mit R.
Ich wusste nicht, dass ich sie behalten habe.
Seine Postkarten, die kleinen Kosmetikeulen mit Lipgloss, das große Teelicht mit dem Sand aus Italien das er für mich gebastelt hat und alles andere was ich je von ihm bekommen habe, liegt längst auf irgendeiner Mülldeponie.
Nur Babsi, dem niedlichen Türstopper-Stoff-Nilpferd, konnte ich nichts tun.

 

 

Ich halte kurz inne und klicke mich dann durch die Fotos. Es ist komisch meinen ehemals besten Freund auf den Bildern zu sehen. Ich entdecke ein Bild von unserem PowerPuff Girls DVD-Marathon und eines auf dem wir beim Griechen beim Essen waren und augenscheinlich einen lustigen Abend hatten.
Ich muss lächeln - für genau zwei Sekunden, denn dann wird mir wieder bewusst, dass es diese Fotos nie hätte geben dürfen.

Denn unsere Freundschaft begann mit dem Satz "Ich will lieber eine Elfe."

 

 

Du bist mehr als dein Lipödem

Ich möchte dir mit dieser Geschichte ein paar Gedankenanstöße zum Thema Beziehungen bei Lipödem, Selbstbewusstsein und Eigenwert geben.

Vor ein paar Jahren, als die Diagnose Lipödem frisch war und ich unheimlich an mir gezweifelt habe, lies ich leider zu, dass mir ein anderer Mensch zusätzlich das Gefühl gegeben hat, ich wäre mit der Krankheit nicht mehr hübsch genug, als würde diese Krankheit mich ab jetzt definieren.

Und genau so habe ich mich am Anfang auch wirklich gefühlt. Ich war so überfordert mit der Diagnose. Andere Frauen fühlen sich erleichtert, wenn endlich klar ist, warum sich ihr Körper so verändert hat und woher die Schmerzen kommen, aber für mich war es, als hätte eine Granate in mein Leben eingeschlagen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade eine dreijährige kieferchirurgische und -orthopädische Behandlung abgeschlossen und den Vertrag für einen neuen Job unterschrieben.
Das Letzte, was ich in dieser Situation gebrauchen konnte, war das nächste medizinische Problem und am aller wenigsten, eine chronische Krankheit, die ich nie wieder loswerden würde.
Erschwerend hinzu kam meine damalige Essstörung, durch die ich von Haus aus jedes Gramm mehr als absoluten Horror empfand.

Mein Leben lang war ich tough und stark gewesen, hatte gekämpft, wenn ich kämpfen musste und abgewartet, wenn Geduld und Durchhaltevermögen gefragt waren.
Ich habe immer gewusst, wer ich war, aber mit einem Schlag geriet das alles ins Wanken.
Das Lipödem schien mich wirklich in die Knie zu zwingen. Ich konnte und wollte die Krankheit einfach nicht akzeptieren.

Das ist heute über 5 Jahre her, aber ich erinnere mich noch gut, an meine Gedanken und Empfindungen von damals.

Wenn du deine Diagnose schon länger hast, dann weißt du bestimmt, wovon ich rede, weil ich mich wetten traue, dass du auch nicht gerade in die Luft gesprungen bist vor Freude, als dir der Arzt mitgeteilt hat, dass es ein Lipödem ist.

Hast du die Diagnose erst seit Kurzem, dann hast du wahrscheinlich gerade die typischen Anfangssorgen mit Lymphdrainage, Kompressionsbestrumpfung (die beim ersten Mal irgendwie nie passen will), Arztbesuchen, Sport, Ernährung und Recherche an der Backe, was dein Leben erst einmal richtig schön auf den Kopf stellt.

In dieser Zeit ist es besonders wichtig, dass du ein Umfeld hast, das dich unterstützt und dir eine Hilfe ist.
Einige haben wirklich großes Glück mit tollen Familien, netten Ehemännern oder Freunden, die diesen Weg mit ihnen gehen und die Sorgen teilen.
Aber leider ist es nicht immer so.

Jede von uns kennt es, dass man in der Öffentlichkeit blöd angeschaut wird oder sich manche auch befleißigt fühlen, einen blöden Kommentar abzugeben, nur wenn so etwas aus dem engsten Freundeskreis oder vom Partner kommt, dann wird es richtig schlimm.

Viele wissen dann nicht, wie sie damit umgehen sollen. Es ist ohne Zweifel tief verletzend, wenn jemand der dir nahe steht, etwas Gemeines über dich sagt aufgrund des Lipödems und klar macht es einen sauer, aber ist da nicht auch immer diese kleine leise Stimme, die einem zuflüstert: "Hat er nicht recht?"

Ich möchte, dass dir das nicht passiert, dass du dieser zweifelnden Stimme keinen Raum gibst und dir dein Selbstbewusstsein nicht kaputt machen lässt.

Deshalb möchte ich dir gerne, meine und R.'s Geschichte erzählen.

 

Das Mädchen, das keine Elfe war und der Prinz der sich als Frosch entpuppte

Ich lernte R. kurz vor meiner Lipödemdiagnose kennen und wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Es gab kein Thema, über das wir nicht reden konnten und sehr bald schon, bat er mich um ein Date, das wir aber erst im zweiten Anlauf schafften.

Unser erstes Date war schön und wir beschlossen gleich den nächsten Tag auch miteinander zu verbringen.
Als er schließlich langsam nach Hause musste, begleitete ich ihn noch zur U-Bahn. Er hielt die ganze Zeit meine Hand und lächelte mich an.
Ein älterer Herr musterte uns neugierig und als R. das auffiel lies er meine Hand langsam los und kramte in seinem Rücksack herum.
Ich dachte mir damals noch nichts dabei, aber es war das erste Indiz, dass etwas zwischen uns nicht stimmte und nie stimmen würde.

Die nächsten Wochen telefonierten wir viel und unsere Kontakt intensivierte sich immer mehr, bis zu dem Tag, an dem er mir am Telefon sagte, ich wäre eigentlich eine absolut tolle Frau, aber meine dicken Beine würden ihn einfach stören. Er wolle lieber eine Elfe haben. Also eine zierliche Frau mit möglichst kleiner Kleidergröße.

Wahrscheinlich überflüssig zu erwähnen, dass ich ihm daraufhin ein paar nicht sehr nette Worte an den Kopf warf und wütend auflegte.
Ich war sauer, enttäuscht und tief verletzt.

 

 

Danach herrschte mehrere Monate Funkstille, bis sich unsere Wege ungefähr ein halbes Jahr später durch Zufall wieder kreuzten.
Er kam gerade aus einer katastrophalen Beziehung mit einer Frau, die zwar optisch seinen Ansprüchen entsprochen hatte, aber charakterlich weit ihrem Äußeren hinterherhinkte.

Ein bisschen Schadenfreude konnte ich mir nicht verkneifen und damit war die Sache eigentlich für mich erledigt, aber für ihn nicht. Er machte klar, dass er kein Interesse an einer Beziehung mit mir habe, bemühte sich aber intensiv um eine platonische Freundschaft.
Ich lies ihn lange abblitzen, aber irgendwann wurden wir Freunde und ich erfuhr mehr über ihn und seine eigenen Probleme und eines Tages waren wir sogar beste Freunde.

Es verging kein Tag, an dem wir nicht miteinander redeten, uns Messages und Bilder hin und her schickten oder Pläne für gemeinsame Unternehmungen machten.
Jahre später, als alles zu spät war, beschrieb er diese Zeit rückblickend mit den Worten: "Du warst das Wichtigste in meinem Leben. Jeden Tag nach der Arbeit habe ich dich angerufen. Das hat meinen Tag immer besser gemacht. Egal was vorher passiert war, wenn ich mit dir reden konnte, dann war alles gut."

Natürlich passierte das, was immer passiert, wenn eine Freundschaft zu eng wird. Zwischen uns entwickelte sich mehr als nur platonische Gefühle und damit begannen dann die Probleme.

Ich kann dich so unmöglich meiner Mutter Vorstellen

Ich erinnere mich gut an den Tag, als ich ihn nach einem Familien-Italien-Urlaub vom Flughafen abgeholt hatte, weil wir endlich über die veränderte Situation reden wollten. Unsere Freundschaft war sehr, sehr eng geworden und da war längst mehr im Spiel, als nur "Best-Friends-Forever".
Wir fuhren in meine Wohnung, ich bekam kleine Mitbringsel aus Italien überreicht und als wir gar nicht mehr drum herum kamen, haben wir das böse Wort mit B endlich angesprochen.

Ich habe noch nie erlebt, dass einen jemand im einen Moment küssen und im nächsten einen waschechten Nervenzusammenbruch erleiden kann.
Wenn ich heute daran zurück denke, muss ich sogar lachen. Es war einfach so absurd.
Ich hatte vorher noch nie einen 30 jährigen Mann auf meinem Sessel zusammensinken gesehen, der mir dann in einem 30 minütigen Monolog klar darlegte, warum eine mit Lipödem als Partnerin nicht infrage kam. Zusammengefasst blieben mir vor allem die Sätze:  "Es geht einfach nicht." , "Ich kann das nicht" und meine Lieblingsaussage "Ich kann dich so doch nicht meiner Mutter vorstellen." im Gedächtnis.

Damals war ich einfach nur tief getroffen und sprachlos, heute würde ich keine zwei Sekunden mehr zögern seine Tasche zur Tür hinauszuwerfen und ihn hinterher. Aber damals gab es eben diese kleine leise Stimme in mir, die mir zuflüsterte: "Er hat recht. Das Lipödem nimmt dir deine Schönheit. Du bist einfach zu fett."
Als er an diesem Abend ging, war ich einfach nur am Boden zerstört und froh, dass ich endlich allein sein konnte.

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt 1 1/2 Jahre "aktiv" mit der Krankheit hinter mir und schon ein halbes Jahr Psychotherapie wegen meiner Essstörung absolviert, da ich damals schon wusste, dass ich nie eine Chance haben würde, das Lipödem zu besiegen, wenn ich meine Magersucht und das Binge-Eating nicht loswerden würde.
Trotzdem war die Zeit rückblickend einfach nicht ausreichend gewesen, um damals anders mit der Situation umgehen zu können.
Ich konnte meinen Körper nicht akzeptieren, fand mich von Haus aus zu fett und das Lipödemgewebe fühlte sich an wie ein Fremdkörper, der an mir dran hing.

Im Endeffekt hatte er mit seinen Bemerkungen sprichwörtlich ins Wespennest gestochen.

Ob er dazu, mit seinen 130 Kilo auf 1,95m Körpergröße, unbedingt den Mund hätte aufreißen sollen, ist eine andere Geschichte.
Heute würde ich es süffisant mit dem Spruch: "Aussehen wie Hugo, aber sich aufführen wie der Boss." zusammenfassen.

 

Sie ist nicht meine Freundin!

Ich ging ihm nach seiner denkwürdigen Ansprache, warum eine Beziehung zwischen uns nicht infrage kam, erst einmal aus dem Weg.
Wenn er mir Messages schrieb, antwortete ich erst sehr spät und nur mit "ja", "nein", "weiß nicht".
Klingelte das Telefon ging ich einfach nicht mehr dran und auf die geistreiche Frage "Bist du böse auf mich?" schenkte ich mir die Antwort.

Nach ein paar Tagen entschied ich mich unsere Freundschaft zu beenden. Ich hatte mich in meinen besten Freund verliebt, der mir zwar seinerseits auch sagte, dass er etwas empfinden würde, aber dass ich eben nicht vorzeigbar wäre.
Ich hatte mich in ein komplettes Arschloch verliebt,

Den Abschiedsbrief, den ich ihm damals schrieb, habe ich übrigens auch in meinen Dateien gefunden.

Ich schickte ihm den Brief und versuchte mein Leben weiterzuführen.
Einmal die Woche ging ich zur Therapie, besuchte eine Selbsthilfegruppe für Essgestörte, machte Sport, nahm meine Lymphdrainagentermine wahr und trieb meine Pläne bezüglich der Liposuktion voran.

R.'s Versuche mit mir zu sprechen, nachdem er den Brief erhalten hatte, blockte ich ab.
Es war die zweite Funkstille, die wir hatten und diese dauerte, wenn ich mich richtig erinnere, drei oder vier Monate.

Als er wieder auftauchte, hatte er selbst eine Therapie wegen seiner eigenen Probleme angefangen und wollte sich einfach bei mir entschuldigen, was er für ein rießen Idiot gewesen war und dass ich so eine Behandlung nicht verdient hatte.
Das Thema Beziehung war sowieso, auch von meiner Seite aus, vom Tisch und unsere Freundschaft begann sich wieder langsam zu kitten.
Er arbeitete an sich und seinen Problemen und ich arbeitete an mir und trieb meine Termine und Untersuchungen bezüglich des Lipödems und der Liposuktion voran.
Wir sprachen darüber, wie es mir mit allem geht, wie frustriert ich war, als mein Termin in Lübeck ergeben hatte, dass ich zunächst eine lymphologische Reha durchlaufen müsste, die Essstörung komplett im Griff sein muss für eine OP und ich die Dauerverordnung für die Lymphdrainage und den Lymphomaten bei der Kasse durchboxen musste.
Aber getröstet, mir Mut zu gesprochen oder unterstützt hat er mich nie.
Ich hatte eher das Gefühl, an mir hinge ein Timer, der erbarmungslos runtertickte und jedes neue Problem schien ihn in seiner Annahme zu bestärken, dass ich den Kampf gegen die Krankheit so oder so verlieren würde.

Ich hab mich ganz allein durch das Ganze durchgekämpft. Mit der Zeit wurde ich immer mehr zum Pitbull und ich begann nach der Lymphreha einen Weg für mich zu finden mit dem Lipödem umzugehen.
Meine Fitness wurde immer besser und ich begann mich an den Wochenenden mit großer Leidenschaft auf Flohmärkten rumzutreiben und so gut und gerne 10-15 Kilometer zusätzlich zum Sport zurückzulegen.

Einmal wollte er mich dann unbedingt auf eine meiner Flohmarkttouren begleiten.
Er kam schon am Tag vorher zu mir, wir gingen essen und hatten einfach Spaß.
Er sah mich wieder so an, wie am Anfang, als wir uns kennengelernt hatten. Er küsste mich noch im Restaurant, wir verbrachten die Nacht zusammen und am nächsten Morgen war mein erster Gedanke: "Scheiße!"
Lässt sich leider nicht netter ausdrücken, es war einfach so.

Als ich mich gerade ins Bad schleichen wollte, wachte er auch auf und so machte ich mich auf das nächste Drama gefasst, aber nichts. Er grinste mich verschlafen an, wünschte mir einen guten Morgen, küsste mich und zog mich in seinen Arm.

Auf dem Weg zum Flohmarkt sah ich immer wieder argwöhnisch zu ihm hinüber, was ihn zu belustigen schien und auf meine Frage, wann er wegen letzter Nacht diesmal einen Nervenzusammenbruch kriegen würde, meinte er nur "Gar nicht.. Zwischen uns ist alles gut."

Das war es auch, für volle vier Stunden, bis wir am Stand einer älteren Dame anhielten, die selbst gestrickte Kuscheltiere verkaufte und ich mich für einen kleinen Elefanten interessierte.
Sie lächelte uns an und sagte dann zu R: "Ihrer Freundin scheint der kleine Elefant zu gefallen, ich glaube, Sie sollten ihn Ihr schenken."
R. sah die Frau wie ein verschrecktes Kaninchen an und rief dann so laut, dass es auch sämtliche umstehende Leute an den Nachbarständen hören konnten: "Sie ist nicht meine Freundin! Wir sind nicht zusammen."

Ich stellte den Elefanten zurück, lächelte die Dame an und sagte nur, bevor ich ging: "Stimmt, das sind wir nicht."

Diesmal stellte ich ihn gleich zur Rede und machte keinen Hehl daraus, wie sauer ich war.
Aber ich war nicht nur auf ihn, sondern auch auf mich selbst, ich hätte es einfach wissen müssen.

Mal wieder hatte unsere Freundschaft einen schweren Knick erlitten.

 

 

Du wärst die passende Frau für mich, aber ich sollte meine Träume nicht aufgeben müssen - Ich verdiene eine schlanke Freundin

Nach diesem Vorfall einigten wir uns darauf, dass nichts mehr zwischen uns passieren würde, aber unsere Gefühle standen uns immer wieder im Weg.

Je weiter ich in meinem Kampf gegen das Lipödem kam, je weiter meine Essstörung in den Hintergrund trat, desto stärker wurde ich, während R. an seinen eigenen Problemen immer mehr zu scheitern drohte.

Wir hatten von da an immer wieder Streit und längere Pausen in unserer Freundschaft. Trotzdem zog es uns immer wieder zueinander hin, aber irgendwann lässt sich eine Freundschaft einfach nicht mehr retten, zumal wenn das Problem ganz woanders liegt.

Es gab noch einige Sprüche, für die ich ihn gern mit meinen ach so dicken Lipödembeinchen in den Hintern getreten hätte, aber irgendwann war es mir einfach egal. Er würde sich nicht ändern, zwischen uns würde sich nichts mehr ändern und so traf ich mich mit jemand anderem, den ich auch schon sehr lange kannte, aber zu dem mein Kontakt eben enger geworden war.
R. kochte vor Eifersucht. Die beiden hatten sich nie im Leben gesehen, aber R. schien den Mann, den ich traf, zu seinem Erz-Nemesis erklärt zu haben und versuchte ihn mir aktiv auszureden.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich längst, wie mein bester Freund tickte und außerdem war ich das Leugnen und weglaufen leid.
Nach 4 Jahren suchte ich die offene Aussprache mit ihm. Erklärte ihm, dass ich nach wie vor mehr empfinden würde und das ich unsere Freundschaft nicht mehr wollen würde. Ich könne mich nicht auf etwas Neues konzentrieren, wenn ich diese Scharade weiterspielen müsste.
Ich lies ihm die Wahl mich entweder gehen zu lassen oder endlich zu seinen Gefühlen für mich und somit auch zu mir zu stehen.

Er fand es unfair, dass ich ihm die Pistole auf die Brust setzte, aber ich hatte die Schnauze einfach voll.
Ich war nicht mehr das Mädchen, das er kennen gelernt hatte, als es die Lipödemdiagnose frisch bekommen hatte, ich war zur Kämpferin geworden und ich kannte meinen Wert ganz genau.

Er entschied sich schließlich dazu uns eine echte Chance zu geben, revidierte seine Entscheidung aber wieder mit den Worten: "Du wärst die passende Frau für mich, aber ich sollte nicht auf meine Träume verzichten müssen. Ich verdiene eine schlanke Freundin."

Daraufhin beendete ich unsere Freundschaft und ging meinen Weg.

 

 

Ob diese Geschichte irgendwann eine Fortsetzung bekommen hätte, kann ich dir nicht beantworten, denn das Schicksal hatte offenbar andere Pläne für ihn.
Wir haben noch einmal ein Jahr später miteinander geredet, da erfuhr ich dann, dass er sich wohl lange nach meinem Weggang noch damit gequält hat, warum er mich gehen hat lassen, warum er sich selbst so im Weg stehen musste. Er sagte mir, dass er mich auch geliebt hatte, aber einfach zu verblendet war.
Er sprach sogar den Vorfall damals nach dem Italienurlaub an. "Ich hätte dich damals bitten sollen zu mir zu ziehen. Ich hätte auf das was meine Eltern und alle anderen denken hätten können sch*** sollen. Du wärst es gewesen."

 

 

Ob ich ihm das glaube steht auf einem anderen Blatt Papier.
Im Endeffekt lag das Problem nie an mir oder meinem Lipödem, sondern an seinen eigenen Dämonen, gegen die er anscheinend nicht ankommen wollte.

 

Wir haben keinen Kontakt mehr zueinander und führen beide ein Leben, das nicht mehr zum Leben des anderen passen würde.
Einen Teil seiner Lebensträume haben sich für ihn erfüllt und damit wünsche ich ihm wirklich alles Gute.
Mein Leben geht in eine völlig andere Richtung und  das finde ich ehrlich gesagt sehr gut.

Heute lebe ich mit meinem Lipödem. Es ist ein Teil von mir, aber es definiert mich nicht mehr.
Ich bin froh, wenn das Thema Liposuktion nächstes Jahr angegangen wird, aber auch bis dahin kann ich mit dem Blick in den Spiegel wieder gut leben. Ich kann mich darin wiedererkennen und ich mag mich trotz meiner Krankheit.

Das Einzige, was ich bis heute wirklich bereue ist, dass ich mich aufgrund der Erfahrung mit meinem ehemals besten Freund nicht getraut habe, jemand anderem zu sagen, dass ich ihn liebe und später erfahren musste, dass dieser Mensch es sich sehr gewünscht hätte, dass ich meinen Mund aufgemacht hätte.

Also, ich hoffe meine Geschichte inspiriert dich zu drei Dingen:
1. Lass dir von niemandem sagen, wer du bist oder was du wert bist.
2. Sei mutig, sei stark und steh immer offen zu deinen Gefühlen
und
3. Verschwende nicht deine Zeit mit Dingen oder Menschen, die dich runterziehen, sondern umgib dich mit Leuten, die hinter das Lipödem sehen können und dich als Person wahrnehmen.

Im Endeffekt ist das Lipödem so grausam es uns manchmal mitspielt auch eine Chance rauszufinden, wer uns wirklich um unser selbst Willen mag und wer nur auf eine hübsche Verpackung scharf ist.